Reisebericht Mirjam

Meine Ankunft in Ghana

Das absolut schwül-warme Wetter hat mich in meinen Jeans nach dem klimatisierten und doch kühlen Flugzeug fast umgehauen. Doch die Eindrücke auf der Fahrt in mein neues ghanaisches Zuhause haben mich alles vergessen lassen: Es war ein Geschauckel und Gewackel, überall wurde überholt, rechts und links, zwischendrin lief mal ein Schaf, Huhn oderZiege über die Straße, was den Verkehr aufhielt. Dann kam man zwischendrin wieder in einen Stau rein, den Straßenverkäufer nutzten um die auf ihrem Kopf transportierten Waren anzupreisen:  Bananen, Klopapierrollen, sauberes Wasser, getrocknete Tomaten, etc…

So kamen wir dann nach einer guten halben bis dreiviertel Stunde endlich an (im Übrigen war diese Fahrzeit absolut gut; an manchen Tagen kann man für diese Strecke bis zu 2-3 Stunden brauchen!!). Unser Haus liegt umgegeben von einer großen Mauer und einigen Sicherheitsschlössern im Neubaugebiet von Teshie, einem Vorort von der Hauptstadt Accra. Es ist umgeben von Banananstauden, Sträuchern und Palmen. Ums Haus laufen Hühner, der Hund Ginger, der Welpe Angel und eine kleine Katze (die hier Ghana keine Mäuse, sondern Frösche jagt ;.)).

Nachdem ich dann meine erste Eimer-Dusche genommen habe und mit Hilfe von Maureen (eine Enkelin von Rose) und ihrer besten Freundin mein Moskitonetz aufgebaut habe, bin ich einfach nur ins Bett gefallen. Der nächste Morgen begann mit viel afrikanischem Geschrei, Kinderheulen und den Hähnen, die hier in Ghana ihr bestes Tun um alle wachzubekommen. Es war mir vergönnt noch weiterzuschlafen bis die Sonne so unerträglich heiß wurde, dass auch ich nicht mehr schlafen konnte. Also gings mit Johannes und Rose ins Kinderzentrum, meiner künftigen Wirkungsstätte.

Dort sind einige der Kinder, die gerade beim Essen waren, sofort auf mich zugerannt, haben mich anfassen wollen, sind auf meinen Arm gesprungen und haben „obruni, obruni“ (Weißer) gerufen. Ein sehr schöner Empfang wie ich finde!!!

Hier bin ich dann auf Beate getroffen. Sie ist eine ausgebildete Erzieherin aus Deutschland und ist nun schon seit 3,5 Monaten hier. Sie hat die Klasse (man spricht hier von Klassen, damit sind Gruppen gemeint) der Kleinsten übernommen: 22 Kinder im Alter von 1,8 – 3 Jahren. Daneben gibt es die Gruppe der 4-5 Jährigen, die eine Art Vorschule hier genießen und eine erste Klasse mit Kindern im Alter von 6 Jahren.

Die Kinder kommen morgens zwischen 7 Uhr und 7.45 Uhr an, werden dann umgezogen und dann geht es nach einer kurzen Spielphase mit dem Assembly los: Eine Versammlung wo alle sich in zwei Reihen aufstellen und ein Morgengebet sprechen, dann die ghanaische Hymne singen und noch zwei bis drei Verse aufsagen. Der Vormittag bis 12 Uhr ist dann unterteilt in freie Spielphasen, Spielen auf dem „Spielplatz“, Üben des ABCs, Singspiele und des Essens des Pausensnacks. Dabei sind die freien Spielphasen die stressigste Zeit, weil 22 Kleinkinder für einen Raum a 20 qm einfach viel zu viel ist. Die Kinder behindern sich oft gegenseitig, weil der eine an den anderen stößt, dann jemand umfällt, der eine den anderen ausversehen boxt, der kleine echt aktive Jeffrey die ganze Zeit auf Tische trommelt und rumschreit oder über alle springt und rennt. Dazu kommt, dass die Kinder zu Hause überhaupt keine Spielsachen haben und teilweise erst lernen müssen WIE man überhaupt spielt.

Alles in allem also eine Situation, die viel Einsatz und Antrieb, Ruhe, Konsequenz und Geduld fordert. Und trotzdem ist das Ganze irgendwie herrlich. Die Kleinen mit ihrer unbändigen Energie, ihrem Temperament, ihren großen Augen, ihren dicken Lippen und ihren teilweise knuddligen Ärmchen und Beinchen sind zum Anbeißen.

Um 12 Uhr gibt’s für alle Kinder draußen ein Mittagessen. Danach werden alle Kinder im Klassenraum auf Matratzen gelegt, wo sie dann bis 14 Uhr schlafen. Ihr könnt euch vorstellen, dass man dann einfach mal froh ist, sich für ein paar Minuten in Ruhe hinzusetzen, etwas zu trinken und sein Essen zu sich zu nehmen.

Nach der Ruhezeit, die ich bislang genutzt habe um mich mit Beate über die Zustände, die einzelnen Kinder (laut einer dt. Psychologin, die hier war, würden einige der Kinder in Deutschland als verhaltensauffällig diagnostiziert werden), deren Herkunft und familiären Hintergrund auszutauschen, werden die Kinder geweckt. Sie werden im Waschraum von afrikanischen Mitarbeiterinnen wieder gewaschen und bekommen ihre morgendliche Schuluniform an. Dann ist nochmal Zeit für eine kleine Spielphase, die abgelöst wird vom mittäglichen Assembly.

Dann kommen die Eltern und holen ihre Kinder ab; meistens nehmen diese auch mal mehr Kinder mit und liefern diese bei ihren Nachbarn ab. Ein Teil der Kinder wird von Rose im Auto nach Hause gefahren, ein Abholdienst, den diese Eltern mitbezahlen, weil sie zu weit außerhalb wohnen. An meinem zweiten Tag bin ich mitgefahren, ein absolut außergewöhnliches Erlebnis: Wir saßen mit 10 Kindern im Auto, dazu Rose am Steuer und ich auf dem Beifahrersitz mit drei Kindern!!! Und Beate auf der Rückbank mit dem Rest… Dazu dann die Straßenverhältnisse in Teshie (nämlich voll von Hügeln, krassen Schlaglöchern, Lehm kurz und gut: Solche Feldwege hab ich Deutschland nicht einmal gesehen!), die vielen Tiere und Kinder, die dazwischen springen. Da ist man automatisch gezwungen ein Tempo von 30-40 km/h nicht zu überschreiten.

Ja, so war das nun die ersten Tage.

Gegen 16.30 Uhr ist man dann spätestens daheim und lechzt nach einer Eimer-Dusche, denn man ist einfach nur staubig, verschwitzt und klebrig von allen kleinen Kinderhänden, die einem tagsüber anpatschen und sagen „Teacher, teacher…“

Die „Stille“ (soweit man davon in Afrika sprechen kann bei allen Hintergrundgeräuschen wie Geschrei, Kinderweinen, Hunde und dem lauten Beten der Menschen, die hier zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten Gottesdienst haben und zwar mit Mikrofon und Verstärkern, wird hier Worship betrieben, gesungen, gerappt) genießend liege ich dann erst mal eine halbe Stunde auf meinem Bett oder sitze draußen auf einer Bank bis die Dämmerung einbricht und die Moskitos kommen.

Da unser Tag ja schon immer gegen 5.30 Uhr beginnt mit Aufstehen, gefolgt ist von dem Weg ins Kinderzentrum und dem Putzen dort weitergeht (wir müssen morgens immer alle Räume und Regale auskehren und auswischen, da tagsüber so viel Sand und Dreck reinkommt bzw. nachts der Wind noch eine Staubschicht über alles legt, da wir Wände haben, die nach außen hin zum Teil mit kleinen Öffnungen versehen sind um mehr Luftt in die Räume zu lassen),  bis dann die Kinder einbrechen sind wir abends einfach echt fertig. Bis wir noch was zu Abend gegessen haben und noch das ein oder andere Pädagogische besprochen haben, ist der Tag auch schon vorbei und spätestens gegen 22 Uhr falle ich hier ins Bett.

Diese neue, ganz andere Welt nimmt einen mit ihren vielen Eindrücken total für sich ein. Ich bin gespannt, was mich die nächsten Wochen hier erwartet und freue mich Gast in diesem Land sein zu dürfen.

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