Reisebericht Anna-Lena

1.3.-31.7.2013- Meine 152 Tage Ghana

Am 1. 3. 2013 ging es los. Am Flughafen in Frankfurt hieß es Abschied nehmen von meiner Familie und meinen Freunden. Aber eigentlich ging es aber schon viel früher los: Bis zum letzten Moment galt es stets etwas zu organisieren. Von Visumsantrag, Flugbuchen, Praktikumsbestätigung, Urlaubssemester an der Uni beantragen bis hin zu Abschiedsabenden war ich die letzten Monate bis Wochen immer eingespannt.

Und dann am Abend des 1.3. hieß es alles hinter mich zulassen, 152 Tage also 5 Monate Ghana, 5015 Kilometer von zu Hause entfernt.

Denn ich hatte mich nach meinem 7. Semester Grundschullehramt dazu entschlossen ein Auslandssemester zu machen, bevor dann die Prüfungen meines ersten Staatsexamen und das damit verbundene Lernen losgehen. Einfach mal etwas andres sehen, neue Kulturen und Menschen kennenlernen und auch mal andere Schulen sehen als die, die wir in den westlichen Ländern kennen.

Die Erwartungen waren sehr groß: wie wird die Gastfamilie, wie ist das Projekt, die Schule? Lerne ich Freunde kennen? Wie....? Was...? Fragen über Fragen. Und dann... nach über 14 Stunden Flug (Direktflug hat mein Studentenbudget nicht zugelassen, also hab ich einen kleinen Umweg über Dubai hingenommen) war ich da. Nun konnte alles ganz unvermittelt auf mich einströmen. Die neuen Eindrücke, die Kultur, das Land, anderes Essen, die Tatsache, dass ich permanent von allen angestarrt wurde und so vieles mehr.

Das Leben

Die ersten Wochen waren sehr anstrengend. Die erste Herausforderung war die Umstellung vom deutschen Winter zu den warmen 30 bis 35 Grad in der ghanaischen Trockenzeit. Diese Temperaturen haben anfangs auch das Arbeiten sehr erschwert. Außerdem prasselte ein ganz anderes Schulsystem mit anderen Methoden und Voraussetzungen auf mich ein. Dieses galt es erst einmal zu verarbeiten, bis ich meinen Weg fand, mit den Kindern umzugehen, zu unterrichten und mir Respekt zu verschaffen. Neu waren für mich auch die langen Arbeitszeiten, als Student geht man doch einem anderen Tagesrhythmus nach und die Praktika in deutschen Schulen sind meist um 13.00 Uhr zu Ende.

In Ghana begann mein Tag um halb sieben, Haus verlassen zur Schule laufen (ab dem 2.Monat bin ich mit dem Schulbus mitgefahren), Klassenzimmer I’ vorbereiten, auf den Schulbus warten. Unterricht, gegen 12 Uhr Mittagspause (heißt aber nicht, dass man selbst Pause hat, die Kinder sind ja trotzdem da und sind allzeit bereit, Quatsch zu machen), dann noch einmal Unterricht bis 3 Uhr, heimlaufen (ab dem 2. Monat auch wieder mit dem Bus noch 1 bis 3 Stunden unterwegs, je nachdem, wann der Busfahrer mal auftauchte), Unterricht für den nächsten Tag vorbereiten, Tag und Kinder reflektieren. Dann gab es schon Abendessen und ich bin meist vor 21 Uhr todmüde gewesen und nur noch ins Bett gefallen.

Nebenbei musste man sich noch an den Ablauf des Familienlebens, die neue Kultur und Gepflogenheiten, sowie das afrikanische Essen (sehr scharf und fischlastig kam es mir am Anfang vor ©) gewöhnen. „Iss nicht mit der linken Hand“, „gib niemanden etwas mit der linken Hand“ (beides gar nicht so leicht, ich bin Linkshänderlll), die Tatsache oft mit den Händen zu essen, auch mal eine Suppe, kein fließend Wasser zu haben: also alles Wasser für den täglichen Bedarf (waschen, duschen, Toilette spülen) aus dem Brunnen im Hof holen. Da denkt man über jeden Liter den man verbraucht umso mehr nach. Ohne Maschine Kleidung zu waschen, also immer mit den Händen (am Anfang hab ich mir die Hände oft wund gescheuert, bis meine Hände sich daran gewöhnt hatten und ich den Bogen so richtig raus hatte) waschen, besonders erfreulich: helle Kleidung...

Mit meinen Freunden und meiner Familie in Kontakt zu bleiben war manchmal auch eine kleine bis große Herausforderung. Das Internet im Haus ging nur sehr schlecht, also Internet Cafe suchen... wenn es denn dann offen hat, der Server funktioniert, beziehungsweise überhaupt Strom da ist. Gerade wenn man wichtige Dinge zu hause regeln muss, oder einfach mal wieder was hören möchte echt nervig. Gerade bei einem kleinen Anflug von Heimweh.

Eine weitere große Plage die Moskitos und die Angst gleich am Anfang Malaria zu bekommen. Das bedeutete dann abends, trotz noch heißer Temperaturen helle, lange Kleidung anzuziehen und viel Spray auf der Haut zu verteilen, um die lästigen Viecher ein wenig fern zu halten. Sie fanden aber trotzdem immer wieder ihren Weg auf meine Haut. Dies wurde mit der Zeit etwas besser, aber so wirklich „Stichfrei“ war ich nie währendmeines Aufenthalts. Das hieß aber auch im Umkehrschluss zweimal Malaria! Das ist aber wenn man es sofort erkennt und behandelt lang nicht so schlimm, wie man immer glaubt, nicht schön, aber bei mir verlief es glücklicherweise immer nur sehr leicht.

Reisen und Ausflüge

Während der sehr vollen Schulwoche hatte ich aber Zum Glück freie Wochenenden, um mich mal zu erholen, die Gegend zu erkunden, nach Accra ins Art Centre (ein Souvenirmarkt) zum Trommeln oder Leute treffen zu fahren, oder auch für einen größeren Ausflug. Die Ferien zwischen den Trimestern hab ich für einen Ausflug in den weiter entfernten Norden genutzt.

Die Atmosphäre mit den Trotros (Kleinbusse, die dich fast überallhin bringen) über Land zu fahren war echt klasse, bedeutete teilweise staubige und unebene Straßen, aber auch schöne Landschaften. Mit Beginn der Regenzeit im Mai wurde die Umgebung dann noch grüner, ein wunderschöner Anblick. Immer wenn ich in einem Trotro saß, hatte ich das Gefühl zum einen Mitten in der Bevölkerung zu sein und zum Anderen was vom Land zu sehen und alle Eindrücke zu bekommen.

Das hat mir oft mein Heimweh genommen.

Ich hatte also die Gelegenheit das Land und die Leute richtig kennen zu lernen. Ich habe Ecken und Plätze gesehen, die der normale „Tourist“ so leicht nicht zu sehen bekommt. Durch das Leben in der Gastfamilie hab ich auch spezielle Erfahrungen gemacht. Natürlich ist es schwer sich einem anderen Lebensstil anzupassen, aber mit der Zeit gelang mir die Umstellung immer besser. Ich hab mich mit meinen Gastgeschwistern immer mehr angefreundet und die Abende oft mit der Familie verbracht. Eine schöne Krönung war meine Geburtstagsfeier, die wir im Haus gefeiert haben.

Während meines Aufenthalts habe ich mir zwei Mal die Haare im „African Style“ machen lassen, eine sehr schmerzhafte und zeitintensive Angelegenheit, aber das Ergebnis ließ sich echt sehen und hatte aber zur Folge, dass mich die Leute noch öfter ansprachen. „Erschwerend“ kam hinzu, dass ich anfangs das Gefühl hatte, mein Kopf wird von dem eingearbeiteten, schweren Kunsthaar permanent nach hinten gezogen.

Die Schule

Die Arbeit mit den Kindern hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht. Viele sind mir wirklich sehr ans Herz gewachsen. Schwierig war es als ich die erste und zweite Klasse zeitweise alleine unterrichtet hatte, da die eine Lehrerin nach den Ferien nicht zurückkam. In dieser Zeit bis eine neue Lehrkraft gefunden wurde, bin ich wirklich an meine Grenzen gestoßen. Zwei Klassen gemeinsam in einem Klassenzimmer, die in ihrer Entwicklung nicht unterschiedlicher sein könnten. Da ich alleine war hatte ich nur wenig bis gar keine Möglichkeit zu differenzieren und so blieben viele Kinder leider auf der Strecke. Oder ich nahm oft meine „Pause“ her um mit einigen Einzeln zu üben.

Generell war es eine Umstellung für mich, dass die Kinder es gewohnt sind alles auswendig zu lernen. Aber das Verständnis für die zu lernenden Dinge fehlte meist total.

Ich lernte mich an kleinen Erfolgen zu freuen, denn das hab ich hier schnell gelernt: große Dinge kann man hier nicht erwarten: Wenn ein Kind mal einen Trick oder eine Technik, die ich versucht habe zu erklären, verstand, oder wenn eine praxisorientierte Unterrichtstunde mit Versuchen klappte und die Kinder wirklich Abläufe begriffen hatten, war das schon viel. Aber an das System konnte ich mich nie gewöhnen, mit vielem musste ich mich einfach abfinden, auch wenn es mir schwer fiel. Trotzdem habe ich immer wieder versucht meine deutschen Erfahrungen einfließen zu lassen und auf die Kinder vor Ort abgestimmt anzuwenden.

Manche Stunden scheiterten schon an den kleinsten Dingen. Es fehlt ein Heft, ein Stift, oder ein Spitzer. Zu Beginn stand alle fünf Minuten jemand auf, um seinen Bleistift über dem Papierkorb zu spitzen. Fing damit einer an, folgte gleich der nächste, dass man schon aufpassen musste, dass nicht gleich die halb Klasse neben dem Papierkorb steht. Erst nach und nach mit dem Einführen von Klassenregeln und als sich die Klasse an meine Unterrichtsweise gewöhnt hatte wurden diese Dinge besser.

Ein kleines Beispiel, das zeigt, wie die Arbeit immer wieder zur Herausforderung wurde...

In der 1. Klasse hatte ich am Ende 12 Schüler. Eigentlich nicht viele, aber die Schüler sind hier so auffällig. Fast die Hälfte der Kinder würden in Deutschland mit Sicherheit nicht in einer Grundschulklasse bleiben, sondern müsste auf die Förderschule, oder würden extra Stunden durch einen Sonderpädagogen erhalten.

Dann kamen zu Beginn des 3. Terms drei neue Kinder. Gerade hatte man die bisherigen Kinder einigermaßen im Griff, dann kamen Neue und noch dazu sehr schwache Kinder. Keiner von ihnen konnte lesen. Einer konnte anfangs gar nicht schreiben, geschweige denn einen Stift halten- daran hab ich mit ihm aber immer wenn Zeit war geübt, das wurde dann schnell besser. Mit der Zeit konnte er dann alle Zahlen schreiben und auch schon einige Buchstaben – für ihn ein großer Fortschritt. Er störte aber immer noch viel den Unterricht. Die anderen beiden schrieben nur sehr langsam und sprachen kaum, wenn sie gefragt wurden. Eine bemühte sich sichtlich, weil sie auch Unterstützung von zu hause bekam. Das andere Mädchen bekam keine Hilfe bei den Hausaufgaben, machte also nur die, bei denen sie nicht lesen musste (abschreiben, malen, einfache Rechenaufgaben - alles was sie selbst schaffen konnte). Die Kinder die ich zuvor schon hatte, konnten auch nicht alle lesen, zwar gut abschreiben, aber nichts selbst produzieren (oft nicht mal kleine Sätze). Und das große Problem in Mathe war, dass die Kinder nicht rechneten, sondern nur zählten (besonders beliebt Strichlisten, völlig unübersichtlich, aber hier oft das Hilfsmittel), bestes Beispiel: wenn ich frage was 8 + 0 sei, dann fingen sie selbst bei dieser leichten Rechnung das Zählen an. Das brachte mich manchmal echt zum Verzweifeln. Außerdem verging viel Zeit meines Unterrichts mit Abschreiben, da ich hier keine Hilfsmittel wie Arbeitsblätter hatte.

Es bleibt zu hoffen, dass meine Versuche etwas gefruchtet hatten und eventuell von dem einen oder anderen Lehrer übernommen werden. Dass die Kinder nicht alles vergessen, was sie bei mir in der kurzen Zeit doch alles gelernt hatten. Allerdings musste ich in meinen letzten Wochen die Klasse noch einmal wechseln, da ein neuer Lehrer gefunden wurde. So half ich einer Lehrerin im Kindergartenbereich. Diese Wechsel machten es für mich aber auch für die Kinder zusätzlich schwer, da ihnen eine Konstante in dieser Hinsicht schon helfen würde. Die Erwartungen eines jeden Lehrers sind anders und diese Umstellung ist gerade für kleine Kinder sehr schwer und manchmal schwer zu begreifen.

Resümee

Wenn ich meinen Aufenthalt in Ghana für Freunde zusammenfassen soll, kam meistens dabei raus: es war eine schöne Zeit, mit lauter tollen Erfahrungen, aber auch lauter Herausforderungen. Ghana ist ein Land voller Gegensätze. Selten hab ich so viele unterschiedliche Dinge auf einmal gesehen. Von Unterschieden zwischen Reich und Arm über Unterschiede im Land selbst- viele wunderschöne Plätze und dennoch so viel Müll überall. Die Herausforderungen habe ich angenommen und die Zeit hat mich geprägt. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt, die ich nie vergessen werde und die mich in Gedanken immer begleiten werden. Auch wenn Dinge erst einmal schwierig erschienen, weiß ich jetzt vielleicht besser an Probleme heran zu gehen und nicht immer alles was ich zu hause habe, als selbstverständlich hinzunehmen.

Und eins ist sicher – Ghana, eines Tages sehen wir uns wieder!!!

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